Allgemein

Der ominöse “Betrachtungsabstand” oder, “wieviel Megapixel”?

Aktuell hat jeder Kamerahersteller ein Kamera-Modell mit besonders hochauflösenden Sensor in seinem Portfolio, 45 Megapixel und mehr sind sind schon länger gängige Größen, selbst der APS-C Bereich wird mittlerweile mit 40 Megapixel bedient. In diversen Foto-Foren sowie Youtube-Kanälen kann man die Diskussionen verfolgen, welche sich mit dem Sinn oder Unsinn von Kameras mit hohen Auflösungen streiten. In der Summe wird dann oft pauschal festgelegt, “Mehr Megapixel braucht kein Mensch”, wobei die dann erwähnten Megapixel variieren und diverse Rechenbeispiele mit möglichen 6 bis 24 Megapixel aufgezeigt werde, immer mit dem Hinweis das ein größeres Bild auch immer aus größerer Entfernung betrachtet wird.

 

“Der Betrachtungsabstand.”

Während meiner Recherche stieß ich auf Webseiten die den Betrachtungsabstand abhandeln und alle sind der gleichen Meinung das größere Bilder auch immer aus größerer Entfernung zu betrachten sind. Interessant ist das alle Seiten nahezu zum gleichen Schluss kommen und auch der Aufbau der Inhalte ist sehr ähnlich.

Richtig ist das wir alle mit zunehmender Entfernung zum Bild die einzelnen Punkte, aus denen ein Bild besteht nicht mehr wahrnehmen können.
Im Offsetdruck zum Beispiel, also das was wir als die üblichen Druckschriften kennen wie Zeitschriften, Kataloge, Prospekte und der gleichen wird überwiegend eine Punktauflösung von 300dpi verwendet, also 300 Punkte pro Inch (25,4 mm). Bei diesem Wert von ca. 300DPI ist die “Punktierung” des maschinellen Druckverfahrens so fein das wir diese unter normalen Umständen nicht mehr wahrnehmen können normaler Umstand wäre in diesem Fall z.B. das Lesen einer Zeitschrift im DIN A4 Format aus ca. 30cm Entfernung.

 

“Kann man das Berechnen?”

Ja, die notwendige Druck-Auflösung in DPI läßt sich sehr einfach berechnen. Eine feste Kenngröße die wir dabei verwenden ist die vom menschlichen Auge bekannten Winkelauflösung von 0,0167°, die angibt ab welcher Entfernung, zwei Punkte nur noch als ein Punkt wahrnehmbar ist.  Diese 0,0167° entsprechen einer Bogenminute eines Winkels, also dem 60stel von 1° (1 durch 60 = 0,167).


Um die notwendige Mindest-Auflösung (DPI),  zu errechnen wird zunächst der Betrachtungsabstand zum Bild (Millimeter) mit dem ‘tangens’ der Winkelauflösung des Auges Multipliziert.

Wir benötigen also einen Abstand von 0,087mm zwischen den Punkten, damit unser Auge dieselben als solche nicht wahrnehmen kann. Da aber “mm” in in unserem Wirkungskreis der Fotografie und dem Druck unüblich sind, rechnen wir das nach Inch um und erhalten eine Angabe in “DPI”, also Dots (Punkte) per Inch.

Die 291dpi werden nun einfach mal auf 300dpi aufgerundet.

 

“Soweit so gut(richtig).”

Die nachfolgende Tabelle (mit mehr oder weniger gleichem Inhalt) taucht oft auf den Web-Seiten zum Thema Betrachtungsabstand auf.

Wenn wir nach der oben aufgezeigten Formel mit der Winkelauflösung die Entfernungen und DPI berechnen passt das  gut, aber hinzukommt nun die Spalte mit den Papierformaten die aus der entsprechenden Entfernung zu betrachten sind.

 

“Papierformate.”

(DIN/Maße) und die Erklärung das je nach Format (Größe) der entsprechende Betrachtungsabstand genutzt wird. Auf keiner Webseite konnte ich eine Formel finden die je nach Größe einer gedruckten Fotografie den Betrachtungsabstand definiert. Gelegentlich orientiert man sich an den Berechnungsmodellen für TV Geräte. Die “längste Seite des Bildes entspricht dem Betrachtungsabstand” oder “ca.. die “Diagonale” des Bildes.

 

Was für die elektronischen Geräte gilt, gilt auch für das gedruckte Bild.”

Diese Aussage halte ich für falsch. Ich kann in keiner Weise, ein TV-Display welches ein fest definiertes Pixelraster hat, mit einem gedruckten Bild vergleichen, bei dem ich Pixeldichte bestimmen kann. Setze ich mich mit 30cm Abstand vor ein FullHD TV gerät mit 1m Diagonale kann ich natürlich die einzelnen Leuchtpunkte des Displays gut erkennen, das TV Gerät benötigt einen Mindest-Betrachtungsabstand. Bei einer gedruckten Fotografie ist das anders.

 

“Der Betrachtungsabstand ist relativ.”

Bei einem gedruckten Foto kann ich aber je nach Aufnahmetechnik und gewünschter Druckausgabe dem Betrachter einen motivabhängigen Detailgehalt anbieten. Beispiel wäre eine Formatfüllende Ansicht vom Berliner Reichstag. Diese ließe einen höheren Betrachtungsabstand zu, ebenso könnte aber ein Betrachter nah ans Bild gehen um die vielen Details in der Fassade des Gebäudes erkennen zu wollen.

 

“Beispiel Bahnhof.”

 

in dem obigen Beispielbild des Berliner U-Bahnhofs, Olympiastation, wurde am ende ein Poster gedruckt mit einer Kantenlänge von ca. 120 x 80 cm. Entsprechen der obigen Tabellen müsste man das Bild aus einer Entfernung von xx m betrachten. Das Bild besitz aber in seiner Umsetzung einen Detailgehalt wie an einem Ausschnitt im nachfolgenden Bild dargestellt, das Bahninteressierte gern nah an das Bild gehen um zu erfahren um welches Triebfahrzeug es sich hier handelt

 

 

 

Andreas Gursky

Der bekannte Fotograf, Andreas Gursky hat in seinem Portfolio viele Beispiele, wie riesige Prints einen extrem hohen Detailgehalt haben das die Besucher seiner Ausstellungen immer sehr nah an die Bilder herangehen um auch feinste Details erkenne zu können. Die Aufnahmetechnik ist hier analoge Großformat-Fotografie oder zusammengesetzte Digitalaufnahmen.

http://www.andreasgursky.com/en/works/2016/

 

Klick auf das Bild führt zur WebSite von Andreas Gursky
Bild: Andreas Gursky – Amazon 2016

Ein Klick auf das Bild leitet sie zum Originalbild, welches deutlich detailreicher ist. 

 

Wenn ein Bild mehr Detail-Informationen bietet, werden diese auch vom Betrachter auch gern angenommen. Das war übrigens schon immer so. Egal ob Fotografie oder Malerei. Wir dürfen nicht vergessen das sich nicht nur die Fotografie in den letzten Jahren deutlich verändert hat, auch die Printmedien aller Art bieten mehr Farben, Schärfe, Detailgehalt als noch vor 10-20 Jahren. Die Betrachter, Konsumenten haben sich in einem schleichenden Prozess an die “neue Normalität”  gewöhnt. Die unterschiede werden erst bewusst wenn man alte Bücher, oder Druckschriften von vor 20 Jahren durchblättert.

Yousuf Karsch ist ein Portrait-Fotograf der überwiegend bekannte Personen fotografiert hatte. Seine Technik war eine analoge Großformatkamera. Mit irgendwelchen Internet-Bildchen ist die eindrucksvolle Qualität nicht zu vermitteln. Ich durfte einmal eine Ausstellung besuchen und viele Besucher standen dicht vor riesigen Bildern, auf welchen die Persönlichkeiten wie Hemingway, Bogart, Hepburn mit einer 1:1 Kopfgröße von Auge zu Auge zu betrachten waren. Jedes Detail in deren Gesichtern war erkennbar und beeindruckend lebensecht, wenn auch in SW.

“Fazit”

 

 

Jeder geht nah an ein Bild wie es sein Interesse zulässt die möglicherweise vorhandenen Details aufzunehmen.

 

 

 

 

 

 

 

 

2 Comments

  • Stef

    Hi Andreas,

    bin duch YouTube auf Dich gestoßen und muss bei der Gelegenheit auch mal ein Lob da lassen: Deine Fotos und Videos gefallen mir sehr gut!

    Nun kurz etwas zu diesem Thema.

    Das mit den MP ist immer so eine Sache. Heutzutage oft einfach nur ein Marketing-Gag um die Leute unnötigerweise zu neuen Käufen zu bewegen (passt ja in die heutige Zeit, wo alles und jeder “Nachhaltigkeit” schreit). Ganz schlimm ist das bei Smartphones, wo schon über 100MP auf einen 1″ Sensor gepresst werden. Wobei mittlerweile so ziemlich allen bekannt sein dürfte, dass für den normalen Gebrauch eine Auflösung von bspw. 12 MP (gleich einer Nikon D700) mehr als ausreichend ist. Gerade im digitalen Zeitalter, wo die meisten Fotos fast nur noch auf dem Smartphone betrachtet werden, ist das alles eigentlich mehr als unnötig und mit dem sog. “Pixel-Peeping” sind meistens eh nur wir Fotomenschen bestraft worden.

    Abgesehen davon, dass der technische “Fortschritt” (in Anführungszeichen, da ich dem nicht immer zustimmen kann) natürlich nicht stehen bleibt, sind weniger MP nach wie vor besser was die Lichtausbeute angeht. Ich habe mich zwar schon lange nicht mehr mit neuen Sensoren etc. beschäftigt, aber die Physik lehrt ja, dass eine größere Fläche (Pixel) mehr Licht einfangen kann, als eine kleinere Fläche (siehe auch bei Teleskopen usw.). Da frage ich mich, was ein 12MP Sensor der heutigen Generation bei Nacht wohl alles leisten könnte.

    Hier mal ein interessanter Punkt, der für eine hohe Auflösung spricht, aber so gut wie nie erwähnt wird:

    In der Porträtfotografie geht es natürlich primär nicht darum, jede Pore der porträtierten Person erkennen oder 200% in das Foto zoomen zu können – keine Frage. Aber es gibt einen guten Grund, warum gerade in der Porträtfotografie früher viel mit Mittel- oder Großformat gearbeitet wurde: die Retusche. Viele vergessen, dass auf Film ebenfalls retuschiert wurde, wie auch heute im digitalen. Und genau hier zählt die physikalische Fläche des Negativs – je größer, desto besser. Überträgt man dies auf die digitale Fotografie, lässt sich klar erkennen, dass auch hier feiner gearbeitet werden kann wenn man mehr Details eingefangen hat und einfach näher ranzoomen kann. Somit kann es in manchen Fällen sinnvoll sein, die Fotos in sehr hoher Auflösung zu schießen, ebenso zu retuschieren und dann in “normaler” Auflösung fertigzustellen. So erhält man durchaus sehr natürliche Ergebnisse. Ich persönlich exportiere fertige Fotos z.B. auch nie größer als 4MP und das reicht selbst für einen 27″ Monitor bestens aus.

    Ob man sich wirklich so viel Arbeit machen möchte (u.U. mehrere Stunden pro Porträt), muss natürlich jeder für sich entscheiden. Nutzt man KI-Filter und lässt den Algorhitmus die Hautretusche erledigen, dann ist das ja eh alles egal und sowieso ein ganz anderes Thema. Und ob ein Hobbyfotograf wirklich einen Nutzen von >24MP hat, oder dadurch nur Unmengen an Daten produziert, ist gleich die nächste Frage – wenn man sich diese stellen mag. Alles hat seinen Nutzen, nur eben nicht immer und für jeden.

    Themen, über die man stundenlang grübeln kann, daher höre ich an dieser Stelle einfach mal auf damit und wünsche einen schönen Abend.

    Viele Grüße
    Stef

    • Master

      Hallo Stef.
      Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Ja, das mit dem Marketing funktioniert bei Tube leider zu gut. Mittlerweile sind die Meisten Fotokanäle eher Shopping Kanäle, welche oft Technik besprechen die von keinem wirklich genutzt wird. Ich gönne jedem sein Spielzeug, aber zuviel Technik lenkt von der Fotografie ab.
      Für mich soll das Ziel das fertig ausgedruckte Foto sein, Bildschirmbetrachtung nur das ganze Bild, keine reingezoomten Bereiche.
      Jeder darf für sich entscheiden, welche Technik er sich leisten kann und will, mich interessieren nur die fertigen Fotos.
      Und ja, ich erinnere mich das ich in der digitalen Anfangszeit, zu kleine Bilder ‘hochgerechnet’ habe um sie präziser bearbeiten zu können, danach wieder auf Gebrauchsgröße runtergerechnet. Das war zwar irgendwie sinnfrei, fühlte sich aber gut an 😉

      Danke, Andreas

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert